Sozial, solidarisch und ökologisch wohnen
WOKUBI – WOHNKUNST IN BIESENTHAL
Die Planung
Während die Erwachsenen noch redeten, begannen die Kinder schon zu zeichnen. „Ihr baut doch ein Haus, deshalb planen wir unser Baumhaus im Garten", erklärte ein Kind auf die Frage, was all die A-4-Blätter voller Skizzen zeigen würden. Es war im Januar 2020, eine kleine Gruppe von Interessierten traf sich zum ersten Mal zu einem Wochenendworkshop, um über ein neues Hausprojekt in Brandenburg nachzudenken. Die Menschen in der Gruppe kannten sich vorher nicht, doch schon am ersten Abend des Kennenlernwochenendes steckten sich die Kinder Walki-Talkis zu, um heimlich von Hochbett zu Hochbett in Verbindung bleiben zu können. Ein kleiner Traum begann, in Plänen und Gedanken.
Einweihung – geschafft!
Viereinhalb Jahre später hat das genossenschaftliche Wohnprojekt Wokubi in der 6.000-Einwohner-Stadt Biesenthal in Brandenburg im September 2024 sein Einweihungsfest gefeiert. Niemand der Menschen, die sich im Januar 2020 trafen, um es anzustoßen, hätte erwarten können, was vor ihnen liegt. Eine weltweite Pandemie, die schon kurz darauf die Kommunikation für lange Zeit in Videokonferenzen verlagerte. Ein Krieg in Europa, Inflation, Zinserhöhungen, Lieferengpässe, Preissteigerungen. Der Weg zum gemeinsamen Haus war steiniger als vorgestellt.
Deswegen war es ein besonderer Moment, als nun in diesem September eine dutzende Meter lange, bunte Girlande aus Stoffresten über dem Innenhof flatterte und mit vielen Gästen gefeiert werden konnte: Geschafft, trotz allem geschafft!
Baulücke in der Stadt Biesenthal nordöstlich von Berlin zwei Wohnhäuser auf einem 3.500 Quadratmeter großen Grundstück. Sie sind das Zuhause von 40 Erwachsenen und 20 Kindern. Die Bewohner*innen sind Mitglieder der Genossenschaft Wohnkunst in Biesenthal – kurz Wokubi, der die Häuser gehören. Alle 26 Wohnungen haben ganz verschiedene Größen. Hier wohnen eine WG, alleinstehende Menschen, Paare, Alleinerziehende und Familien mit zwei oder drei Generationen. Dass Menschen hier unterschiedliche Alter, Herkünfte, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten haben, ist für die Gruppe explizit gewünscht. Die Wohnungen sind barrierearm oder barrierefrei.
Die Genossenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, dauerhafte, möglichst preisgünstige, soziale und ökologische Wohnungen für ihre Mitglieder zu schaffen und als Gruppe generationenübergreifend, vielfältig und solidarisch zusammenleben. Dazu gehört auch, Menschen mit Fluchterfahrung mit Wohnraum zu unterstützen. Um Dinge zu tauschen und teilen, statt sie neu zu kaufen, entstanden unter anderem eine gemeinsam genutzte Werkstatt, ein Waschkeller, Gemeinschaftsraum, Atelier und Musikproberaum. Das Energie- und Wärmekonzept setzt auf Wärmepumpen und Photovoltaik auf den Dächern.
Gemeinschaft entsteht
Das Wohnprojekt wird in Selbstverwaltung geplant und verwaltet, hatte aber starke Unterstützer*innen im Rücken. Dazu gehören die Hannoverschen Kassen, die GLS-Bank und die Stiftung trias. Außerdem konnten und können Einzelpersonen mit solidarischen Privatdarlehen in das Projekt investieren.
Weil sich die Weltpolitik mit Materialengpässen und Preiserhöhungen bis auf die Baustelle auswirkte, musste die Genossenschaft im Laufe der Jahre viel neu entscheiden und improvisieren. Möglichst niemand sollte aufgrund von Kostensteigerungen das Projekt verlassen müssen, deswegen entschied sich die Gruppe, mehr Arbeit als ursprünglich geplant selbst zu übernehmen, um Geld zu sparen. So verbrachten viele Genoss*innen hunderte Stunden auf der Baustelle: Gehwegplatten verlegen, Fenstergauben streichen, Erde mit dem Bagger verschieben. Nebeneinander im Sand zu knien und auf dem Dachgerüst zu balancieren, war anstrengend. Brachte die Menschen hinter dem Projekt aber auch enger zusammen.
Genossenschaft Wohnkunst in Biesenthal
BLAUE INSEL IN BERLIN-SCHÖNEBERG
Innenhof des neuen Hauses der BLAUE INSEL Genossenschaft in Berlin-Schöneberg
Die Kinder haben sofort gespürt, dass dies kein normales Mietshaus ist. Seit wir im März 2024 in unser Haus in Berlin-Schöneberg eingezogen sind, rennen sie durchs Treppenhaus und die Laubengänge entlang, spielen im gesamten Haus Verstecken.
Sie treffen sich zum Rundlauf an der Tischtennisplatte im Innenhof, und zum gemeinsamen Essen bei einer der Familien. Abends werden sie von ihren Eltern dann per Gruppenchat gesucht: „Hat jemand Piet gesehen?" – „Wo ist denn Paul?"
Transparent zur Einweihung: „Genossenschaft rockt!"
Das italienische Restaurant im Haus stellt sich auf dem Einweihungssfest vor
Genossenschaft in Selbstverwaltung
Auch für die Erwachsenen war es nach acht Jahren Planungs- und Bauphase natürlich ein besonderes Gefühl, endlich anzukommen. Unser Haus – das sind insgesamt 50 Wohnungen in einem Neubau mit sechs Geschossen. Eine selbstverwaltete Genossenschaft, die Blaue Insel eG, in der nun Singles, Paare, Familien, alte wie junge Menschen leben. 13 der 50 Wohnungen werden von sozialen Trägern vermietet. Zu deren Klient:innen gehören Menschen mit Suchterfahrungen, chronischen und psychischen Erkrankungen.
Es gibt zwei Gemeinschaftsräume, eine Waschküche und geteilte Balkone, die an die Laubengänge angrenzen, über die wir unsere Wohnungen betreten. Diese Flächen schaffen den Raum für viele Momente, in denen wir uns kurz austauschen können.
Es gibt noch freie Gewerbeflächen!
Von unserer Dachterrasse aus blicken wir über die Stadt bis in den Berliner Grunewald. Im Erdgeschoss vermieten wir Gewerbeflächen, 640 Quadratmeter insgesamt. Eine Fahrschule und ein Fitnessstudio sind bereits eingezogen, ein italienisches Restaurant wird bald eröffnen. Rund 240 Quadratmeter sind noch frei. Bei Interesse bitte unbedingt bei gewerbe@blaueinsel.org melden!
Wenn auch das gehört zur Selbstverwaltung: Wir müssen auf unsere Finanzen achten. Viele von uns sind in Arbeitskreisen engagiert: In ihrer Freizeit prüfen sie Bilanzen und Rechnungen, kontrollieren Bau- und Reparaturmaßnahmen. Wir dürfen und müssen alles selbst entscheiden: Nach welchen Kriterien wir freie Wohnungen vergeben, oder welche Hausregeln für uns gelten.
Unser Haus ist für uns alle auch: Ein schönes Experiment.
UCB Blaue Insel eG